Vegetarier bekommen häufig zu hören, dass sie besonders auf Mangelerscheinungen achten müssen. Sie gelten als gefährdet. Andererseits sind die meisten Vegetarier davon überzeugt, dass fleischlose Ernährung die Gesundheit schützt und die Lebenserwartung steigen lässt. Dr. med. Ulrike Thieme von der Online-Arztpraxis ZAVA gibt eine Einordnung über die medizinischen Vor- und Nachteile vegetarischer Ernährung und wie Ärzte beim Übergang zur fleischlosen Ernährung unterstützen können.
Wie viele Vegetarier gibt es in Deutschland?
Laut Allensbach-Institut leben in Deutschland rund 7,5 Millionen Vegetarier oder Menschen, die weitgehend auf Fleisch verzichten. Zu den häufig genannten Begründungen für Vegetarismus zählen gesundheitliche Faktoren (wie zum Beispiel hohe Cholesterinwerte), moralische Bedenken, eine Abneigung gegenüber Fleisch und Fleischprodukten sowie Motivation zur vegetarischen Ernährung durch verschiedene Fleischskandale.
Leben Vegetarier länger und gesünder als Fleischkonsumenten?
Mediziner der Universität Oxford haben im Jahr 2013 die vielbeachtete EPIC-Studie zur Gesundheit von Vegetariern veröffentlicht. An der Studie haben über 40.000 Personen teilgenommen, davon war jeder Dritte Vegetarier. Die Ärzte haben dabei herausgefunden, dass Vegetarier tatsächlich einige gesundheitliche Vorteile gegenüber den Fleischessern hatten: Sie konnten bei ihnen weniger Herzinfarkte, niedrigere Blutfett- und Cholesterinwerte, niedrigeren Blutdruck und einen niedrigeren Body-Mass-Index feststellen.
Für Menschen mit zu hohen Blutfettwerten und zu viel Cholesterin kann es daher durchaus Sinn machen, neben einer generell cholesterinarmen Ernährung auf Fleisch zu verzichten. Zusätzlich sollte die bewährte Cholesterinreduktion mit Statinen in Erwägung gezogen werden.
Auf welche Nährstoffe Vegetarier achten müssen
Neben Vitamin B12 und Eisen nehmen Vegetarier weniger Calcium, Jod, Vitamin D, Zink und Omega-3-Fettsäuren auf. Die genannten Nährstoffe sind oft aber auch bei Personen niedrig, die keine besondere Ernährungsform verfolgen.
Eine qualitativ gute vegetarische Ernährung führt zu einer guten Versorgung mit den Mineralien Magnesium und Kalium, den Vitaminen Folsäure, Vitamin C und E, Ballaststoffen, sekundären Pflanzenstoffen wie (Poly-)Phenolen, Flavonoiden, Phytosterinen und Carotinoiden.
Leiden Vegetarier häufiger an Eisenmangel?
Ja, der Eisenvorrat im Körper von Vegetariern und Veganern ist kleiner als bei Menschen, die Fleisch essen. Dies hängt damit zusammen, dass in Pflanzen weniger Eisen enthalten ist. Außerdem kann der menschliche Organismus tierisches Eisen besser verwerten.
Um die Aufnahme von Eisen zu erleichtern, wird empfohlen, eisenhaltige pflanzliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Nüsse, Tofu, Hirse, Rübenkraut und Petersilie mit Vitamin C-reicher Nahrung zu kombinieren. Das Eisen wird dann besser vom Körper aufgenommen.
Beispiele für eine solche Kombination wären ein Erbsen- oder Bohneneintopf mit Paprika oder das orientalische Hummus aus Kichererbsen und Sesam mit Petersilie und Zitronensaft. Eisenpräparate sollten nur in Absprache mit einem Arzt genommen werden. Der Mediziner kann durch eine Laboruntersuchung einen möglichen Eisenmangel feststellen. Besonders Frauen, die sich streng vegetarisch ernähren, sollten ihren Eisenspiegel wegen des Blutverlusts während der Periode regelmäßig überprüfen lassen.
Durch Eisenmangel wird der Organismus sehr geschwächt. Dies äußert sich unter anderem durch
- blasse Haut,
- Haarausfall,
- brüchige Nägel,
- eingerissene Mundwinkel,
- Kopfschmerzen und
- Konzentrationsstörungen.
Leiden Vegetarier häufiger unter Eiweißmangel?
Eiweiße (Proteine) sind sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Nahrungsmitteln enthalten. Bei einer abwechslungsreichen vegetarischen Ernährung, bei der täglich Gemüse, Nüsse, Saaten, Hülsenfrüchte und Getreide verzehrt werden, ist in der Regel kein Eiweißmangel zu befürchten.
Ist Vitamin B12-Mangel ein Problem bei fleischloser Ernährung?
Zwar kann der Körper Vitamin B12 (Cobalamin) in der Leber mehrere Jahre lang speichern, trotzdem leiden langjährige Vegetarier viel häufiger an einem Mangel des Vitamin B12. Vitamin B12 ist nur in tierischen Produkten enthalten. Forscher aus Sydney und Hongkong haben herausgefunden, dass der Mangel unter Vegetariern verbreitet ist.
Besonders reich an Vitamin B12 sind Leber, Milch und Eier. Der Körper benötigt Vitamin B12 zum Beispiel zur Zellteilung, da es indirekt an der Herstellung von DNA beteiligt ist, dem Träger der genetischen Information. Weil sich die Blutzellen besonders schnell teilen, kommt es bei einem B12-Mangel ebenfalls zur Blutarmut. Anders als beim Eisenmangel, sind die roten und weißen Blutkörperchen hier jedoch größer als normal, was die Ärzte megaloblastäre Anämie nennen. Auch im Verdauungstrakt und im Nervensystem macht sich ein B12-Mangel mit Schäden bemerkbar.
Vegetarier können ihre Versorgung mit Vitamin B12 regelmäßig beim Arzt überprüfen lassen. Bei Bedarf bieten mit B12 angereicherte Tropfen, Tabletten oder Kapseln eine gute Möglichkeit, die ansonsten verringerte Zufuhr auszugleichen.
Ärztliche Beratung bei Umstellung auf vegetarische Ernährung empfohlen
„Für Vegetarier ist es vor allem wichtig, sich möglichst abwechslungsreich zu ernähren und einen Überblick darüber zu haben, ob alle wichtigen Nährstoffe ausreichend zugeführt werden”, erklärt Dr. med. Ulrike Thieme. „Gut durchdacht, kann eine vegetarische Ernährungsweise eine effektive Maßnahme gegen Übergewicht sein, das Krebsrisiko verringern und dabei helfen, Blutdruck und Cholesterinwerte zu regulieren”, so die Expertin.
Wer sich dafür entscheidet, die vegetarische oder vegane Ernährung auszuprobieren, sollte dies am besten im Vorfeld mit einem Arzt besprechen.
Quelle: zavamed.com