Interview mit Dr. Hans Günther Ullmann, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Ununterbrochen piepst oder pfeift es im Ohr, oft über Monate oder Jahre hinweg: Dauerhafter Tinnitus kann für die Betroffenen zur Qual werden, zu Schlafstörungen bis hin zu Depressionen führen. Die Ursache der Töne, davon gehen Neurowissenschaftler inzwischen aus, liegt dabei nicht im Ohr, sondern im Gehirn. Hier setzt ein Therapieverfahren an, das sich Akustische CR-Neuromodulation nennt. Dr. Hans Günther Ullmann, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, hat sich auf diese Therapie spezialisiert.
Herr Dr. Ullmann, Millionen Deutsche leiden an einem Tinnitus. Woher kommen die rätselhaften Töne im Ohr?
Ullmann: Tinnitus entsteht durch eine Störung der Signalübertragung vom Ohr zum Hörzentrum im Gehirn und kann beispielsweise von Lärm, Stress oder Medikamenten ausgelöst werden. Die Folge ist, dass bestimmte Nervenzellen synchron überaktiv sind, das heißt, sie geben dauerhaft Signale ab und täuschen dem Gehirn so einen Dauerton vor. Der äußert sich dann in Form eines Tinnitus. Diese Hirnaktivität ist sogar im EEG messbar.
Bei der CR-Neuromodulation hört der Patient Töne, sogenannte Therapiesignale. Wie kann das den Tinnitus bekämpfen?
Ullmann: Die CR-Neuromodulation ist eine Therapie, die den Tinnitus dort angeht, wo er entsteht – im Gehirn. Anhand der Höhe des Tinnitus werden für den Patienten individuell Therapiesignale berechnet. Diese bringen die fehlerhaft arbeitenden Nervenzellen im Lauf der Zeit wieder aus dem krankhaften Gleichtakt – der Ton wird leiser oder verschwindet ganz.
Wie wird die CR-Neuromodulation angewendet?
Ullmann: Der Patient hört die Stimulationstöne, die kaum über der Hörschwelle liegen, über kleine medizinische Kopfhörer. Wichtig ist, dass Tinnituslautstärke und -frequenz regelmäßig kontrolliert werden, da sich diese ändern können und die Signale dann angepasst werden müssen. Der Patient sollte die Behandlung über etwa neun bis zwölf Monate fortführen.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Therapie?
Ullmann: Sehr positiv: Bei 60 bis 70 Prozent der Behandelten hat sich die Situation bereits verbessert – diese Patienten sind kaum oder gar nicht mehr durch den Tinnitus belastet.