Die wichtigsten Leserfragen beim Expertentelefon „Schwindel“ am 13.11.2014
1. Ich habe seit Tagen immer wieder ein kurzes Schwindelgefühl. Es ist, als würde man in einen Strudel gezogen. Was kann das sein?
Dr. med. Jochen Reichel, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in München-Bogenhausen, Schwerpunkte: plastische Operationen, Allergologie, Schwindel- und Tinnitus-Behandlung: Schwindel kann viele Ursachen haben. Der Betroffene verliert die Körpersicherheit und die Orientierung im Raum und hat ein Gefühl des Schwankens oder Drehens. Häufig treten weitere Störungen des Gleichgewichts auf, unter anderem Fallneigung, Übelkeit, Erbrechen oder Schwarzwerden vor den Augen. Eine genaue Diagnostik ist notwendig und kann Aufschluss über die Ursachen geben. Als Auslöser kurzfristiger Schwindelbeschwerden ist in erster Linie der gutartige, anfallsweise auftretende Lagerungsschwindel zu nennen. Es kommen aber auch Herzrhythmusstörungen, Kreislaufbeschwerden, Migräne und bestimmte Medikamente infrage.
2. Meine Mutter ist 81 und leidet immer wieder unter Schwindelanfällen. Ich habe Angst, dass sie stürzt, wenn sie alleine ist. Wie kann man da vorbeugen?
Reichel: Es sollten mögliche Ursachen abgeklärt werden, die insbesondere im Alter für Schwindelanfälle in Frage kommen – etwa Durchblutungsstörungen, Diabetes, Augenprobleme oder verschiedene Medikamente. Als vorbeugende Maßnahmen sind Hilfsmittel wie Bettsicherungen und Gehhilfen, Behandlungsmethoden wie Physiotherapie und Schwindeltraining sowie eine Notfallklingel bzw. ein Notfalltelefon ratsam.
3. Muss man gleich zum Arzt, wenn einem ab und zu mal ein bisschen schwindelig ist? Wann sollte man sich untersuchen lassen?
Reichel: Man sollte immer dann zum Arzt gehen, wenn die Schwindelbeschwerden über Tage bestehen bleiben oder sogar in Häufigkeit und Schwere zunehmen. Ebenso wenn man unter Gangunsicherheit leidet und Sturzgefahr besteht, und wenn man nicht fahrtüchtig ist. Also immer dann, wenn man durch Schwindel so beeinträchtigt ist, dass normale Alltagstätigkeiten nicht durchgeführt werden können oder man sich selbst oder andere Menschen in Gefahr bringen könnte.
4. Immer, wenn ich aus dem Sitzen oder Liegen hochkomme, dreht sich erstmal alles. Oft muss ich mich gleich wieder setzen. Ist das ein Kreislaufproblem oder Schwindel und welcher Arzt kann mir helfen?
Dr. med. Thomas Zickler, niedergelassener HNO-Arzt in Pfungstadt, Praxisschwerpunkte: Hörstörungen, Schwindelerkrankungen, Allergologie, Schlafstörungen. Lehrtätigkeiten für den Deutschen Berufsverband der HNO-Ärzte: Zunächst sollte geklärt werden, ob das Drehgefühl auch konkret zu beobachten ist. Mit Hilfe eines speziellen Untersuchungsinstruments, der sogenannten Frenzelbrille, kann der HNO-Arzt das sehr leicht feststellen. Sollten bei dem Drehgefühl auch Nystagmen (Augenzittern) zu beobachten sein, liegt in der Regel ein gutartiger Lagerungsschwindel vor, der mit sogenannten Befreiungsmanövern gut zu behandeln ist. Andererseits könnte Ihr Drehschwindel auch durch verschiedene Arten von Blutdruckproblemen bedingt sein. Hier ist eine genaue Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems und eventuell auch ein Besuch beim Neurologen notwendig.
5. Ich bekomme Tabletten gegen meine Schwindelanfälle, aber die machen mich müde, so dass ich keinen richtigen Spaß mehr am Leben habe. Gibt es Alternativen?
Zickler: Fast alle Schwindelpräparate enthalten im Gehirn wirkende Substanzen. Diese haben wie Schlafmittel einen ermüdenden Effekt. Man könnte sagen: Wer schläft, hat keinen Schwindel. Weiterhin hemmen diese Medikamente die Schwindelkompensation, also die Möglichkeiten des Organismus, sich selbst an die Beschwerden anzupassen. Müde machende Medikamente zur Schwindeltherapie sollten deshalb nur so kurz wie möglich eingesetzt werden. Alternativ gibt es gut verträgliche natürliche Arzneimittel, die nicht schläfrig machen. Sehr gut untersucht ist hier Vertigoheel, das sich zur Behandlung von Schwindelanfällen bewährt hat. Es lindert die Schwindelgefühle, fördert die Durchblutung feinster Blutgefäße und hat keinen dämpfenden Effekt.
6. Warum leiden ältere Menschen eigentlich häufiger unter Schwindelanfällen als junge?
Zickler: Bei jüngeren Menschen sind meist akute Erkrankungen von Ohren und Gleichgewichtsorganen schuld an Schwindelanfällen. Im Alter beeinträchtigen zusätzlich degenerative Veränderungen etwa durch Arteriosklerose, Blutdruckschwankungen, Probleme mit der Halswirbelsäule oder auch Diabetes die Gesundheit. Sie beeinträchtigen viele Körperfunktionen und eben auch den Gleichgewichtssinn.
7. Bei mir fängt in letzter Zeit oft der Boden an, unter den Füßen zu schwanken – meist wenn ich unterwegs bin. Ich traue mich schon gar nicht mehr aus dem Haus. Was kann ich nur tun?
Dr. med. Jörg Sebastian, niedergelassener HNO-Arzt in Nürnberg, Schwerpunkte: konservative HNO-Heilkunde, Schwindeldiagnostik, Stimm- und Sprachstörungen, Komplexhomöopathie und Akupunktur: Schwankschwindel kann ein Symptom ganz unterschiedlicher Erkrankungen sein: vom multifaktoriellen Schwindel des älteren Menschen über Erkrankungen des peripheren oder zentralen Nervensystems und Angststörungen bis hin zu bestimmten Innenohrerkrankungen. Deshalb sollten diese Beschwerden auch fachübergreifend untersucht werden, um dann eine individuelle Behandlung einleiten zu können.
8. Nach einer Erkrankung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr ist bei mir Schwindel zurückgeblieben. Was kann da helfen?
Sebastian: Vermutlich lag bei Ihnen eine Neuritis oder Neuropathia vestibularis vor. Diese entzündliche Erkrankung des Gleichgewichtsorgans wird meist durch Herpes-simplex-Viren hervorgerufen. Bei etwa 10 bis 15 Prozent der Patienten kann im Anschluss ein Lagerungsschwindel auftreten: Hier muss eine ärztliche Untersuchung die betroffene Seite herausfinden. Anschließend wird ein geeignetes Befreiungsmanöver durchgeführt und mit dem Patienten eingeübt.
9. Ich leide unter plötzlich auftretenden Drehschwindel-Anfällen und habe große Angst zu stürzen. Wie kann ich vorbeugen?
Sebastian: Wenn Ihnen schwindelig wird, sollte Sie sich am besten sofort hinlegen oder setzen. Wenn das nicht geht, möglichst einen festen Halt suchen. Richten Sie die Augen auf einen festen Punkt, und atmen Sie möglichst ruhig. Schnelle Bewegungen sollten Sie vermeiden. Falls Sie gerade Auto fahren, sofort an einer sicheren Stelle anhalten. Auch hier sollte fachübergreifend nach den möglichen Ursachen gesucht werden.
10. Ich bin 69 und leide seit zwei Jahren unter unspezifischem Schwindel, wie mein Arzt festgestellt hat. Er sagt, da könne man nicht viel machen, aber ich mag mich damit nicht abfinden. Gibt es Möglichkeiten zur Selbsthilfe?
Prof. Dr. med. Karl-Friedrich Hamann, ehemaliger Extraordinarius an der HNO-Klinik der TU München und leitender Arzt der Abteilung für Schwindel und Gleichgewichtsstörungen im MVZ Bogenhausen, Forschungsschwerpunkt: Verlauf, Diagnose und Therapie von Schwindelerkrankungen: Zunächst einmal sollte geklärt werden, um welche Art von Schwindel es sich handelt. Als unspezifische Maßnahme im Sinne einer Selbsthilfe rate ich zu einem Gleichgewichtstraining. Damit ist eine Stabilisierung der Gleichgewichtsfunktionen möglich. Solche Übungen – ein Training gegen Schwindel – werden auch von Sportlern und Weltraumfahrern erfolgreich eingesetzt.
11. Kann Schwindel auch von einer Nahrungsmittelunverträglichkeit kommen? Ich habe das Gefühl, dass mir immer nach dem Essen oder Kaffeetrinken schwindelig wird.
Hamann: Nahrungsmittelunverträglichkeiten äußern sich nicht als Schwindel. Die von Ihnen beschriebenen unbestimmten Gefühle haben andere Ursachen. Gerade der Genuss von Kaffee ist dem Gleichgewichtssinn sogar nützlich und mindert Schwindelbeschwerden eher.
12. Meine Freundin hat mir erzählt, dass gegen Schwindel Befreiungsmanöver helfen. Wie geht denn das, und kann ich das alleine machen?
Hamann: Es gibt tatsächlich so genannte Befreiungsmanöver, die bei Lagerungsschwindel effektiv eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um eine Abfolge von Kopf- und Körperbewegungen, mit deren Hilfe unerwünschte Ohrsteinchen, die den Schwindel auslösen, aus den Bogengängen des Innenohres herausgeschleudert werden. Diese Übungen sollten unter Anleitung eines Arztes oder Physiotherapeuten durchgeführt werden.