Ungeachtet der dynamisch fortschreitenden Alterung der Bevölkerung ist die Häufigkeit neu aufgetretener Parkinson-Diagnosen in den ärztlichen Abrechnungsdaten in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2019 um bis zu 30 Prozent zurückgegangen. Während die Inzidenz im Mittel über alle Altersgruppen im Jahr 2013 noch bei 168 pro 100.000 Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Altersbereich ab 50 Jahren lag, sank dieser Wert bis 2019 auf 122 ab. Hierbei wurden drei Falldefinitionen zusammengefasst, anhand derer die Robustheit der ermittelten Trends überprüft wurde. Die Zahl der bundesweit vertragsärztlich diagnostizierten Neuerkrankungen des ideopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) hat im gleichen Zeitraum im Mittel der drei Falldefinitionen von knapp 130.000 auf gut 112.000 abgenommen. Der kontinuierliche Rückgang der jährlichen Diagnoseinzidenz seit 2013 ist bundesweit in allen Altersgruppen ab 50 Jahren, in beiden Geschlechtsgruppen und überregional im gesamten Bundesgebiet festgestellt worden.
Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Versorgungsatlas-Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zu „Inzidenztrends des diagnostizierten ideopathischen Parkinson-Syndroms in den Jahren 2013 bis 2019“. „Die Parkinson-Krankheit geht mit einer Vielzahl insbesondere alterstypischer Erkrankungen einher. Das lenkt den Fokus auf die Komplexität der medizinischen Versorgung dieser besonderen Gruppe von Patientinnen und Patienten. Die Behandlung erfordert eine intensive Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den beteiligten Haus- und Fachärztinnen und -ärzten sowie Gesundheitsfachberufen. Bemerkenswert ist, dass die Inzidenzen auch im ländlichen Raum immer weiter zurückgehen. Dort waren die Erkrankungszahlen in früheren Jahren immer höher als im städtischen Raum“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Über Gründe für den Rückgang der Parkinson-Inzidenz könne man derzeit lediglich spekulieren, die untersuchten GKV-Abrechnungsdaten böten hierfür keine weiteren Anhaltspunkte, so von Stillfried weiter.
„Denkbare kausale Zusammenhänge zwischen der Nutzung landwirtschaftlicher Chemikalien und dem Risiko an IPS zu erkranken, stehen angesichts der bislang häufig gefundenen erhöhten Erkrankungsrisiken in ländlichen Räumen seit geraumer Zeit im Fokus der wissenschaftlichen Debatte. Ob Veränderungen des Pestizideinsatzes ein geringeres Risiko für das Auslösen von Folgeerkrankungen wie etwa Parkinson bergen und für den Rückgang der Neuerkrankungszahlen mitverantwortlich sein könnten, muss noch weiter wissenschaftlich untersucht und validiert werden“, bekräftigte der Zi-Vorstandsvorsitzende.
Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) ist eine fast ausschließlich im höheren Alter auftretende neurodegenerative Erkrankung, die durch einen fortschreitenden Verlust von Neuronen des zentralen Nervensystems charakterisiert ist. Zu den Kardinalsymptomen des IPS zählen Bewegungsstörungen, wie die verzögerte Initiierung von Bewegungen (Akinese), die Verlangsamung von Bewegungen (Bradykinese), Muskelverspannungen (Rigor), Muskelzittern (Tremor) sowie die Störung der aufrechten Körperhaltung (posturale Instabilität). Häufige Komorbiditäten sind Demenz und eine Reihe psychischer Leiden, darunter insbesondere Depressionen. Das IPS ist die mit Abstand häufigste Erscheinungsform des Morbus Parkinson und lässt sich vom nicht-idiopathischen oder sekundären Parkinson-Syndrom abgrenzen. Neben einer erhöhten Exposition durch Agrarchemikalien fallen der Konsum von Milchprodukten, die Hormonersatztherapie, Diabetes mellitus Typ 2, aber auch psychische Vorerkrankungen einschließlich Depressionen, bipolare Störungen und Stimmungsschwankungen in die Gruppe möglicher nicht genetischer oder nicht ausschließlich genetischer Risikofaktoren.
Grundlage für die statistische Analyse sind die bundesweiten pseudonymisierten, krankenkassenübergreifenden vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V und Arzneiverordnungsdaten gemäß § 300 Abs. 2 SGB V der Jahre 2013 bis 2019 von Patient:innen im Alter ab 50 Jahren. Die Erfassung der Häufigkeit des Neuauftretens eines IPS erfolgte pro Jahr im Zeitraum 2013 bis 2019 in Kohorten von vertragsärztlichen Patient:innen, die in einem Mindestzeitraum von vier Jahren beobachtet worden sind. Neben einer primären Falldefinition sind zwei weitere Falldefinitionen mit Variationen der Mindestanforderungen an die Inanspruchnahmemuster inzidenter IPS-Fälle zur Prüfung der Robustheit der gefundenen Inzidenztrends auf Bundesebene angewendet worden.
Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi)